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eine nächtliche Fährfahrt
Athen. Flughafen. Eben noch in Deutschland - nach einigen hektischen Wochen, in Windes
Eile die letzten Sachen gepackt - nun schon im Taxi Richtung Piräus. In der Stadt
kommen wir nur langsam voran. Hektischer Verkehr. Mopeds zwängen sich durch jede
Lücke und überholen die endlosen Autoschlangen. Die Luft ist stickig und
heiß. Wenn wir, wie schon des öfteren, auf dem Rückweg ein paar Tage
in Athen verbringen, werden wir uns erst wieder daran gewöhnen müssen.
Ob wir schon Tickets haben, fragt uns der Fahrer. Da wir verneinen, hält er in
Piräus vor einem Ticketbüro. Mit den Fahrkarten in der Hand, werden wir dann
zu der richtigen Fähre gebracht. Nicht einfach für einen Fremden, diese zu
finden und wie wir schon erlebt haben, auch nicht für jeden Taxifahrer.
Es herrscht kein Gedränge, da die Fähre schon länger im Hafen liegt und
es noch fast eine Stunde dauert, ehe das Schiff den Hafen verlässt. Beim Betreten
der Rampe werden unsere Tickets kontrolliert und in der Mitte eingerissen - alles muss
seine Ordnung haben - bevor wir uns und unser Gepäck die schmalen Treppen
hinaufschleppen auf das oberste Deck.
Jetzt beginnt der Urlaub! - Früher habe ich das noch anders gesehen. Da begannen
die Ferien für mich erst, wenn ein schönes Zimmer gefunden war und wir dann
gemütlich auf dem Balkon saßen - mit Blick auf den Hafen und einem Glas Ouzo
in der Hand. Heute genieße ich die Fährfahrten, stelle, im Zielhafen angekommen,
einfach das Gepäck in einem Kafenion ab und begebe mich gemütlich auf Zimmersuche
- manchmal zu Fuß - manchmal mit einem Moped.
Sicher, der Kopf ist noch lange nicht frei, das wird noch ein paar Tage dauern. Sind
wirklich alle wichtigen Dinge erledigt - im Job - und zu Hause? Auch körperlich sind
die vergangenen Monate nicht spurlos an mir vorübergegangen und der wenige Schlaf der
letzten Tage fordert seinen Tribut. Aber die Zeit ist zu kostbar, als dass ich die Tage
und Nächte der Anreise nicht bewusst nutze.
Wir suchen uns eine geeignete Übernachtungsstelle. Zum Glück gibt es
Sitzbänke und keine Stuhlreihen auf dieser Fähre. In der Nachsaison kann man
sich dort bequem der Länge nach ausstrecken. Schnell noch einen Pullover als
Kopfkissen und warme Sachen für die Nacht aus der Tasche geholt, die Reiseführer
als Lektüre und das erste Mythos (griechisches Bier) in diesem Jahr in der Hand,
stimmen wir uns auf den Urlaub ein.
Athen am Abend. Das Lichtermeer verschwimmt in der Abgasglocke. Hier am Hafen, wo ein
stetiger, leichter Wind geht, meint man dem Dunst entrinnen zu können. Ein leichtes
Kratzen im Hals lässt jedoch vermuten, was der spätere Blick aus der Ferne
bestätigt - die Dunstglocke reicht weit aufs Wasser hinaus.
Nach und nach füllen sich die noch freien Bänke, ein buntes Durcheinander, aber
lange nicht so ein Gedrängel wie in der Hochsaison. Einige Rucksacktouristen, die es
sich in Ihren Schlafsäcken bequem machen - einzelne Griechen, aber auch einige Familien,
die mit ihren obligatorisch zusammengeschnürten Paketen und Taschen zu ihrer Insel
zurückfahren. Die meisten Passagiere zieht es allerdings in den Innenraum der Fähre.
Pünktlich werden die Vorbereitungen zum Ablegen getroffen. Die schwere Maschine setzt
sich in Bewegung und lässt die Fähre erzittern. Während die Trossen eingeholt
und sorgsam aufgeschossen werden, bewegt sich das Ungetüm langsam von der Kaimauer weg
in Richtung freie See. Dort wird das Schiff so richtig in Schwung gebracht - volle Fahrt
voraus, geht es den nächtlichen Zielen entgegen.
Das Heck ist noch dicht besetzt - viele Passagiere, die, über die aufgewühlten
Wassermassen der Heckwelle hinweg, auf das Lichtermeer von Athen schauen. Einige lachen und
flachsen, andere sind in sich versunken und versuchen die letzten Eindrücke zu
verarbeiten oder sie denken an die Ereignisse, die ihnen diese Reise oder die nahe Zukunft
bringen wird.
Langsam wird die Stadt kleiner und kleiner - das Schiff taucht ein, in die Dunkelheit der
Nacht. Die Menschentraube am Heck hat sich aufgelöst und wir wagen ein Nickerchen.
Von jetzt an wechseln sich die Schlaf- und die Wachperioden ab.
Leichte Unruhe auf dem Schiff kündigt den nächsten Hafen an. Die Durchsage
über die Außenlautsprecher weckt auch noch den letzten Schlafenden. Auf dem
Achterdeck sammeln sich die Helfer und warten auf die Anweisungen, die der Mann mit dem
Funkgerät ihnen gleich geben wird. Die Fähre hat nun den Bug von der Pier
weggedreht. Wir hören das Rasseln der Ankerkette und sehen wie sich das Schiff
langsam rückwärts zur Anlegestelle schiebt.
Die sorgsam aufgeschossenen Wurfleinen, mit denen gleich die Trossen an Land gezogen
werden, liegen schon vorbereitet in den Händen der Arbeiter an Deck. Einige
kräftige Drehungen setzen die beiden beschwerten Leinen in Schwung und schleudern die
Enden an Land. Einer der beiden Wurfbälle fliegt direkt in die Nähe eines Helfers,
der Andere wird, sehr zur Belustigung der Zuschauer, von einem kleinen Hund in der Luft
gefangen und freudig zu seinem Herrchen gebracht.
Einige Fahrzeuge und Passagiere verlassen die Fähre. Die griechischen Landsleute werden
meist durch Verwandte oder Freunde herzlich empfangen, während sich die wenigen
Rucksacktouristen nun um eine Unterkunft oder einen Zeltplatz bemühen müssen. Es
dauert nicht lange, dann ist der Spuk vorbei - die Leinen werden schon gelöst. Der
letzte Nachzügler, ein jüngerer Mann aus seinem Moped, fährt mit Schwung
über die Rampe ins Schiff, gerade noch rechtzeitig, bevor die Fähre sich in Bewegung
setzt.
Es ist spürbar kühler geworden - jetzt in der Nacht und auf der freien See. Ein
frischer Wind weht über das Deck, doch im Windschatten der Bank lässt es sich ganz
gut aushalten. Etwas wärmer verpackt, können wir wieder - für eine gute Stunde
- schlafen, während sich die Fähre ihren Weg durch die Wellen der Ägäis
bahnt.
In verspüre eine innere Unruhe, die mich aus meinen Träumen reißt und öffne
meine Augen. Noch schlafen die meisten Passagiere, doch die nächste Insel naht bereits. Ich
gehe zum Achterdeck und starre gebannt in die Dunkelheit. Bis auf einen kleinen Lichtschein, ist
von der Insel noch nicht viel zu erkennen. Aber da ist dieser Geruch, den der Wind von der Insel
herüberträgt. Ich atme die frische Luft in tiefen Zügen und versuche den Duft, eine
Mischung aus Pinien und Kräutern zu analysieren, als ob ich anhand dessen, den Namen der
Insel bestimmen könnte.
Der Lichtschein wird langsam größer. Während sich das Schiff behäbig an
einem kleinen, die Bucht beschließenden Hügel vorbei, in den Hafen schiebt,
füllen sich die Plätze am Heck. Langsam gibt die Landzunge den Blick auf den Hauptort
der Insel frei. Das Lichtermeer durchbricht die dunkle Nacht. Einem beleuchteten Amphitheater
gleich, ziehen sich die Häuser von der Uferstraße hinauf, bis zur Chora und den
mittelalterlichen Gemäuern.
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