Geschichten & Eindrücke  


morgens in der Skala einer griechischen Insel

eine nächtliche Fährfahrt



   
 

    
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Übersicht Geschichten & Eindrücke   morgens in der Skala einer griechischen Insel

Es ist noch früh am Morgen. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen die Insel und beleuchten das geschäftige Treiben im Hafen. Vom Balkon meines Appartements genieße ich die klare Morgenluft und lasse meinen Blick über die Bucht schweifen.

Auf der Hügelspitze die alte Festung. Sie thront über der Chora mit ihren schmalen verwinkelten Gassen und den weiß getünchten kleinen Häusern. Bei den schon lange stillgelegten Windmühlen geht die Straße hinab ins untere Dorf. Hier sind die Häuser etwas größer. Sie schmiegen sich an die vom Meer vorgegebene Küstenlinie, bis nahe an die große Anlegestelle des Hafens heran. Dort liegt eine Fähre, ein riesiger Koloss, der fast die gesamte Buchtbreite einnimmt.

 
Chora
 
Skala, Chora & Hafen
 
Fähre


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Vor wenigen Minuten hat sie angelegt und spuckt nun die Menschenmassenaus, die sie von Athen hierher befördert hat. Zuerst kommen die Fußgänger – Touristen in Sandalen und Jeans, mit prall gefüllten Rucksäcken und Inselbewohner mit ihren zusammengeschnürten Paketen. Müde Gesichter schleppen sich zu den auf sie wartenden Verwandten oder in eines der nahegelegenen Kafenions. Sie werden getrieben durch die dicht dahinter rollende Zweiradkolonne, die sich ihren Weg durch das Gewühl bahnt. Dann folgen die Autos, die meist voll bepackt die Fähre verlassen – in unzähligen Kisten transportieren sie Obst und Gemüse, Geflügel und viele andere Dinge auf die karge Insel. Als die letzten Wagen über die Ladeklappen an Land rollen, drängen sich schon die neuen Passagiere in Richtung Schiff und können nur mühsam vom stolzen Hafenbeamten zurückgehalten werden.

Während sich die einen über das Wiedersehen freuen, wird es bei den anderen Zeit sich zu verabschieden. Sie liegen sich in den Armen, schluchzen und winken. Ein alter Fischer wischt sich verstohlen die Tränen aus den Augen, als seine Enkelin die Fähre betritt - bis dahin hatte er tapfer ausgehalten. Wenn sie das Sonnendeck erreicht, wird er sich beruhigt haben und ihr lächelnd zuwinken können.

Jetzt rollt die neue Fracht in den stählernen Bauch der Fähre. Nach den großen Lastkraftwagen, die sich mühsam rückwärts ihren Weg in das Schiff gesucht haben, fahren nun die kleineren Wagen über die Rampe. Die neuen Passagiere suchen sich einen Platz auf den Aussichtsdecks.

In kurzer Zeit, wenn die Fähre den Hafen verlässt, wird wieder Ruhe einkehren auf der Insel – und ich werde versuchen die Eindrücke in mir festzuhalten, um sie später wieder und wieder genießen zu können.

 

Übersicht Geschichten & Eindrücke  eine nächtliche Fährfahrt

Athen. Flughafen. Eben noch in Deutschland - nach einigen hektischen Wochen, in Windes Eile die letzten Sachen gepackt - nun schon im Taxi Richtung Piräus. In der Stadt kommen wir nur langsam voran. Hektischer Verkehr. Mopeds zwängen sich durch jede Lücke und überholen die endlosen Autoschlangen. Die Luft ist stickig und heiß. Wenn wir, wie schon des öfteren, auf dem Rückweg ein paar Tage in Athen verbringen, werden wir uns erst wieder daran gewöhnen müssen.

Ob wir schon Tickets haben, fragt uns der Fahrer. Da wir verneinen, hält er in Piräus vor einem Ticketbüro. Mit den Fahrkarten in der Hand, werden wir dann zu der richtigen Fähre gebracht. Nicht einfach für einen Fremden, diese zu finden und wie wir schon erlebt haben, auch nicht für jeden Taxifahrer.

Es herrscht kein Gedränge, da die Fähre schon länger im Hafen liegt und es noch fast eine Stunde dauert, ehe das Schiff den Hafen verlässt. Beim Betreten der Rampe werden unsere Tickets kontrolliert und in der Mitte eingerissen - alles muss seine Ordnung haben - bevor wir uns und unser Gepäck die schmalen Treppen hinaufschleppen auf das oberste Deck.

Jetzt beginnt der Urlaub! - Früher habe ich das noch anders gesehen. Da begannen die Ferien für mich erst, wenn ein schönes Zimmer gefunden war und wir dann gemütlich auf dem Balkon saßen - mit Blick auf den Hafen und einem Glas Ouzo in der Hand. Heute genieße ich die Fährfahrten, stelle, im Zielhafen angekommen, einfach das Gepäck in einem Kafenion ab und begebe mich gemütlich auf Zimmersuche - manchmal zu Fuß - manchmal mit einem Moped.

Sicher, der Kopf ist noch lange nicht frei, das wird noch ein paar Tage dauern. Sind wirklich alle wichtigen Dinge erledigt - im Job - und zu Hause? Auch körperlich sind die vergangenen Monate nicht spurlos an mir vorübergegangen und der wenige Schlaf der letzten Tage fordert seinen Tribut. Aber die Zeit ist zu kostbar, als dass ich die Tage und Nächte der Anreise nicht bewusst nutze.

Wir suchen uns eine geeignete Übernachtungsstelle. Zum Glück gibt es Sitzbänke und keine Stuhlreihen auf dieser Fähre. In der Nachsaison kann man sich dort bequem der Länge nach ausstrecken. Schnell noch einen Pullover als Kopfkissen und warme Sachen für die Nacht aus der Tasche geholt, die Reiseführer als Lektüre und das erste Mythos (griechisches Bier) in diesem Jahr in der Hand, stimmen wir uns auf den Urlaub ein.

Athen am Abend. Das Lichtermeer verschwimmt in der Abgasglocke. Hier am Hafen, wo ein stetiger, leichter Wind geht, meint man dem Dunst entrinnen zu können. Ein leichtes Kratzen im Hals lässt jedoch vermuten, was der spätere Blick aus der Ferne bestätigt - die Dunstglocke reicht weit aufs Wasser hinaus.

Nach und nach füllen sich die noch freien Bänke, ein buntes Durcheinander, aber lange nicht so ein Gedrängel wie in der Hochsaison. Einige Rucksacktouristen, die es sich in Ihren Schlafsäcken bequem machen - einzelne Griechen, aber auch einige Familien, die mit ihren obligatorisch zusammengeschnürten Paketen und Taschen zu ihrer Insel zurückfahren. Die meisten Passagiere zieht es allerdings in den Innenraum der Fähre.

Pünktlich werden die Vorbereitungen zum Ablegen getroffen. Die schwere Maschine setzt sich in Bewegung und lässt die Fähre erzittern. Während die Trossen eingeholt und sorgsam aufgeschossen werden, bewegt sich das Ungetüm langsam von der Kaimauer weg in Richtung freie See. Dort wird das Schiff so richtig in Schwung gebracht - volle Fahrt voraus, geht es den nächtlichen Zielen entgegen.

Das Heck ist noch dicht besetzt - viele Passagiere, die, über die aufgewühlten Wassermassen der Heckwelle hinweg, auf das Lichtermeer von Athen schauen. Einige lachen und flachsen, andere sind in sich versunken und versuchen die letzten Eindrücke zu verarbeiten oder sie denken an die Ereignisse, die ihnen diese Reise oder die nahe Zukunft bringen wird.

Langsam wird die Stadt kleiner und kleiner - das Schiff taucht ein, in die Dunkelheit der Nacht. Die Menschentraube am Heck hat sich aufgelöst und wir wagen ein Nickerchen. Von jetzt an wechseln sich die Schlaf- und die Wachperioden ab.

Leichte Unruhe auf dem Schiff kündigt den nächsten Hafen an. Die Durchsage über die Außenlautsprecher weckt auch noch den letzten Schlafenden. Auf dem Achterdeck sammeln sich die Helfer und warten auf die Anweisungen, die der Mann mit dem Funkgerät ihnen gleich geben wird. Die Fähre hat nun den Bug von der Pier weggedreht. Wir hören das Rasseln der Ankerkette und sehen wie sich das Schiff langsam rückwärts zur Anlegestelle schiebt.

Die sorgsam aufgeschossenen Wurfleinen, mit denen gleich die Trossen an Land gezogen werden, liegen schon vorbereitet in den Händen der Arbeiter an Deck. Einige kräftige Drehungen setzen die beiden beschwerten Leinen in Schwung und schleudern die Enden an Land. Einer der beiden Wurfbälle fliegt direkt in die Nähe eines Helfers, der Andere wird, sehr zur Belustigung der Zuschauer, von einem kleinen Hund in der Luft gefangen und freudig zu seinem Herrchen gebracht.

Einige Fahrzeuge und Passagiere verlassen die Fähre. Die griechischen Landsleute werden meist durch Verwandte oder Freunde herzlich empfangen, während sich die wenigen Rucksacktouristen nun um eine Unterkunft oder einen Zeltplatz bemühen müssen. Es dauert nicht lange, dann ist der Spuk vorbei - die Leinen werden schon gelöst. Der letzte Nachzügler, ein jüngerer Mann aus seinem Moped, fährt mit Schwung über die Rampe ins Schiff, gerade noch rechtzeitig, bevor die Fähre sich in Bewegung setzt.

Es ist spürbar kühler geworden - jetzt in der Nacht und auf der freien See. Ein frischer Wind weht über das Deck, doch im Windschatten der Bank lässt es sich ganz gut aushalten. Etwas wärmer verpackt, können wir wieder - für eine gute Stunde - schlafen, während sich die Fähre ihren Weg durch die Wellen der Ägäis bahnt.

In verspüre eine innere Unruhe, die mich aus meinen Träumen reißt und öffne meine Augen. Noch schlafen die meisten Passagiere, doch die nächste Insel naht bereits. Ich gehe zum Achterdeck und starre gebannt in die Dunkelheit. Bis auf einen kleinen Lichtschein, ist von der Insel noch nicht viel zu erkennen. Aber da ist dieser Geruch, den der Wind von der Insel herüberträgt. Ich atme die frische Luft in tiefen Zügen und versuche den Duft, eine Mischung aus Pinien und Kräutern zu analysieren, als ob ich anhand dessen, den Namen der Insel bestimmen könnte.

Der Lichtschein wird langsam größer. Während sich das Schiff behäbig an einem kleinen, die Bucht beschließenden Hügel vorbei, in den Hafen schiebt, füllen sich die Plätze am Heck. Langsam gibt die Landzunge den Blick auf den Hauptort der Insel frei. Das Lichtermeer durchbricht die dunkle Nacht. Einem beleuchteten Amphitheater gleich, ziehen sich die Häuser von der Uferstraße hinauf, bis zur Chora und den mittelalterlichen Gemäuern.

Skala und Hafen

vom Hafen hoch bis zum alten Gemäuer

 


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Einige Zimmervermieter stehen auf der Pier, ein gutes Dutzend vielleicht. Sie warten dort mit ihren handgeschriebenen Schildern und versuchen, neue Gäste zu gewinnen. Mit Bildern oder wilden Gesten und einem Gemisch aus englisch, deutsch und griechisch, versuchen sie die Leute zu überzeugen. Mit dem Auto oder auch zu Fuß verharren sie dort, in Grüppchen zusammenstehend, voller Hoffnung auf das, was Ihnen die Fähre diesmal bringt. - Früher war es oft nur ein Zubrot. Die Menschen leerten in der Saison ihr Wohnzimmer, um es an die Fremden zu vermieten. Heute sind viele auf das Geld angewiesen, um die Winterszeit zu überbrücken. - Manche der Vermieter sind mehr, andere weniger aufdringlich. Eine alte Frau nimmt sich schnell die Reisetasche eines jungen Mannes, der sich noch ein wenig sträubt, und macht sich einfach auf den Weg zu ihrem Haus. Hoffentlich hat der Mann, der ihr nun wohl oder übel folgen muss, eine gute Unterkunft gefunden, denn er wird wohl nicht die Courage haben, das Zimmer der alten Frau abzulehnen, nachdem sie sein Gepäck durch die halbe Stadt getragen hat.

Der Besitzer des Insel-Campingplatzes hat sechs neue Gäste. Das Gepäck hat er jeweils mit einem Ruck auf den Dachgepäckträger befördert und schwingt sich nun auf den Fahrersitz, um die wenigen Kilometer auf der Küstenstraße zu seinem Anwesen zu fahren. Dort wird er seine neuen Gäste einweisen, bevor er sich für den Rest der Nacht, wohlverdient in sein Bett zurückzieht.

Der Platz an der Pier lichtet sich. Die Waren sind abgeladen und die neuen Passagiere haben es sich bequem gemacht. Die Fähre legt langsam ab. Die Schraube macht mächtig Druck und das Wasser spritzt auf die Pier. An der Landzunge vorbei, bahnt sich die Fähre wieder ihren Weg durch die Wogen und die dunkle Nacht.

So vergeht Stunde um Stunde - Insel für Insel zieht vorbei und es nähert sich der Zeitpunkt, an dem auch wir die Fähre verlassen müssen. Wir bereiten uns auf die Ankunft vor. Der Kaffee, den wir im Büdchen kaufen, schmeckt so leidlich, aber er hilft uns auf die Beine zukommen.

Wir klettern mit unserem Gepäck die schmalen Stiegen hinab auf das Autodeck und stellen uns vor die geöffnete Bugklappe. Ein quer über die Schiffsbreite gespanntes Seil hält die Passagiere davon ab, weiter nach vorne zu gehen. Nach und nach füllt sich der Platz. Einer schiebt sich vor den Anderen, alle gebannt auf den Moment wartend, an dem sie losstürmen können, um so schnell wie möglich an Land zu gelangen - als ob sie etwas verpassen würden, wenn sie, nach den etlichen Stunden der Überfahrt, ein oder zwei Minuten später das Schiff verlassen.

Das Seil wird gelöst. Wir setzen uns inmitten der Menschentraube in Bewegung. Dicht dahinter folgen schon die knatternden Mopeds, die versuchen, sich einen Weg durch die Massen zu bahnen. Das obligatorische ‚Éla, éla' erklingt immer wieder. Von vorn kommen jetzt auch schon einige Leute entgegen, die sich an der Absperrung vorbeigedrängelt und nun einen guten Platz für die Überfahrt erhaschen wollen.

Der erste Weg führt uns an den Zimmeranbietern vorbei in das nächste nette Kafenion. Von hier aus werden wir uns anschließend in aller Ruhe auf Zimmersuche begeben. Die erste, erlebnisreiche Urlaubsnacht ist vorbei. Der nächste, etwas erholsamere Teil der Ferien beginnt ...

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© R. Schwätzer 2001

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